18. Juli 2007
Heute wird sich zum ersten Mal die Meditationsgruppe treffen. Else hat uns ihre Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Die Herausforderung ist für mich groß. Es macht einige Unterschiede, ob ich einfach nur ein paar Tipps gebe oder wie jetzt eine Gruppe Leute komplett anleiten soll. Schon die Auswahl der Übungen hat mich stark beschäftigt. Ich habe sie immer mehr reduziert und vereinfacht. Mittlerweile bin ich zu dem Schluss gekommen, anfangs ausschließlich Konzentrationsübungen mit ihnen durchzuführen. Nervös macht mir vor allen Dingen das Reden, also die Aufgabe für mich etwas zu erklären. Es fällt mir leicht Übungen selbst zu erklären, aber ich tu mich mehr als schwer damit eine Art Weltbild daraus abzuleiten. Es widerstrebt mir irgendwie. Hier bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich mich erstmal auch nur auf das praktische beschränke und Theorie sich nur aus Problemen und Fragen ergeben wird. Ich denke das ist ein ganz guter Weg.
28. Juli 2007
Die Gruppe beschäftigt mich weiterhin auch außerhalb der Treffen. Heute stellte ich fest, dass mein größtes Problem im Moment wohl meine Zweiweltlichkeit betrifft, die ich während der Übungen in mir nähre. Die eine Welt ist die Welt der Übungen. Da ich alles selbst mitmache, versuche ich hier natürlich auch vorwärts zu kommen bzw. setze in mir etwas in Bewegung. Die andere Welt schwingt dagegen. Es ist quasi meine Aufgabe, die sich aus der Gruppe ergibt. Ich habe ja die Gruppe vorrangig deshalb gegründet, weil ich etwas weitergeben will und nicht, weil ich unbedingt mit anderen zusammen üben möchte. Das ist zwar auch sehr schön, aber derzeit eher unangebracht. So entsteht während der Übungen immer wieder ein heilloses Durcheinander in mir, weil meine Aufmerksamkeit sich auf zwei Dinge zu konzentrieren versucht.
Bisher hielt ich das Verhalten von „Lehrern“, sich selbst nicht an dem zu beteiligen, was sie lehren, für eine Art Selbstausgrenzung. Jetzt merke ich, dass dahinter mehr steckt. Wenn sie sich wirklich 100prozentig auf ihre Aufgabe konzentrieren, haben sie keine Zeit die Übungen mitzumachen. Stattdessen liegt ihre Arbeit darin, Wege zu finden, Hilfestellung zu geben und das positive Gruppengefühl zu entwickeln.
Nun kommt noch erschwerend hinzu, dass sich die Gruppe in eine Richtung zu entwickeln scheint, mit der ich so nicht rechnete. Ich ging davon aus, dass es auf ein Treffen der inneren Ruhe hinausläuft und entsprechend achtete ich darauf, die Übungen möglichst unverfänglich auszuwählen. Beim letzten Mal wurde aber deutlich, dass die Gruppe ganz was anderes will. Nebenbei hatte sich Cheffe auch eingeklinkt und ebenfalls zu einer Richtungsänderung geraten. Daraus ergibt sich jetzt ein ganz neuer Ansatz, aus dem heraus nicht mehr nur Einzelübungen in einer Gruppe durchgeführt werden, sondern ich den Hauptfokus darauflege, gemeinsame Bilder und Kräfte zu entwickeln, so gesehen also die Gesamtheit der Gruppe zu nutzen, um eine Intensivierung zu erreichen. Wie sich das letztlich umsetzt, werde ich beim nächsten Treffen sehen. Bei diesen Gruppenübungen fließen Energien zusammen und meine Sorge ist, dass meine Energie bzw. das was in meiner Energie gesehen wird eher blockierend als förderlich wirkt. Also im Grunde genommen komme ich stets zu dem Schluss, dass ich an den Übungen nicht weiter teilnehmen sollte. Was ich aber stattdessen tun kann, ist je nach Verfassung, meine Möglichkeiten zu nutzen, um bei individuellen Problemen zu helfen.
01. Juni 2011
Immer häufiger geben sich jetzt von mir unbewusst heraufbeschworene Ideale zu erkennen, mit denen ich mich selbst durchs Leben jage. Ich begreife langsam, dass ich mir da eine künstliche Welt aufgebaut habe, in der ich an Rollen festgegurtet bin, in denen ich mich selbst gerne sehe. Komischerweise verschwimmen diese Rollen, sobald ich mich näher damit befasse, weil sie doch nicht so wirklich das sind, was ich gerne sein möchte.
In der Meditationsgruppe fühlt sich meine momentane Rolle, in der ich mich selbst sehe, extrem aufgeblasen an. Ich empfinde mich als überwichtig, konzentriert auf meine Person und dadurch überheblich. Im Umkehrschluss setzt mich das extrem unter Druck, denn es ist anstrengend, eine solche Rolle nach außen hin zu leben. Es kostet mich sinnlos Energie und ich beginne unbewusst schon am Dienstagabend, mich auf den Mittwochabend einzustellen. Ich werde u. a. nervös, wenn ich nicht genug Schlaf bekomme. Der Mittwochabend taucht dann immer häufiger in meinem Kopf auf und „erinnert“ mich daran, dass ich meiner Pflicht nachkommen muss. Die Pflicht ist in dem Fall mein inszeniertes Selbstbild. Dafür muss ich ausgeruht und belastbar sein, denn schließlich gilt es die Umgebung von meiner beeindruckenden Größe zu überzeugen. „Gekaufte Liebe“ … so würde es wohl wieder lauten, wenn ich einen Begriff bei Avnas ziehe. Was passiert da nur im Moment mit mir? Warum bin ich das Thema früher noch nicht angegangen? Lag das daran, dass Claudia mit in der Gruppe war? Das wäre tatsächlich ein möglicher Grund.
Jetzt jedenfalls wird es Zeit den Druck auf mich selber herauszunehmen. Diese Konstruktion fühlt sich einfach nicht mehr zeitgemäß an. Sie bringt nichts außer dem Gefühl, dass ich mich in einen Anzug zwänge, um einem Bild gerecht zu werden. Die Außenwelt wird dabei zum Publikum, was bitteschön auch durch regelmäßige Anerkennung deutlich macht, dass sie meine Inszenierung begeistert. Und wenn sie das nicht tun, dann kommt dieses abstruse Schauspiel in den nächsten Akt. Denn dann wird meine übersteigerte Anstrengung nicht gewürdigt und ich rutsche ab in die Rolle des verletzten, traurigen Kindes, dass nach Liebe buhlt, dabei aber missverstanden oder sogar übersehen wird. „Liebt mich gefälligst!“ das ist es also eigentlich, was ich mit meinem Bemühen zu sagen suche. Ich bemerke dies zwar in dem Augenblick nicht, dennoch schwingt der Konflikt permanent im Untergrund mit und hält das Rad am Laufen.
Nun reißt mich das gerade hin und her. Vermeidung löst ja das Problem nicht und doch ist die erste Reaktion auf die Erkenntnis, mich einfach herauszunehmen. Ich könnte die Meditationsgruppe einfach hinschmeißen oder als schweigender Part still beiwohnen, so wie ich es eh schon sehr oft mache. Nur ersetze ich dann das eine Problem durch ein anderes, denn der Rückzug ist die Flucht in meine Gemütlichkeit, aus der heraus ich grundsätzlich gerne die in meinen Augen unnötige Auseinandersetzung mit der Außenwelt umschiffe. Das wiederum passt aber auch nicht, denn irgendwie verlasse ich mich in solchen Momenten selbst. Ich lasse mich quasi alleine bzw. entferne mich von dem was ich bin. Meine Ansichten, meine Betrachtungsweisen und meine Gedanken werden einfach nicht ausgesprochen. Das ist ja kein großes Problem und schon entstehen keine unnötigen Reibungspunkte mit der Außenwelt. Ich werde unantastbar, wie eine Blackbox voller Geheimnisse. Gleichermaßen, und das fällt mir schon seit Jahren immer wieder mal auf, hoffe ich unbewusst, dass die Außenwelt trotzdem erkennt was mich ausmacht und mich entsprechend respektiert. Das ist natürlich kompletter Unsinn, denn indem ich mich herausnehme, ist das auch eine Willensäußerung … ich will nicht, dass man weiß was in mir vorgeht und somit kann die Außenwelt es nicht mehr sehen. Sie soll es ja nicht sehen können. Ich will also Respekt als Blackbox! Wenn das mal kein schönes Ziel ist…
Lösung habe ich also immer noch keine. Was mir einfach noch fehlt, ist eine gewisse Leichtigkeit in diesen Themen. Ich muss frei werden, mich von Bildern lösen, die ich versuche im Alltag auszufüllen und stattdessen einfach sein wie ich bin, losgelöst von den Folgen meines Handelns. Denn das, was ich befürchte, ist immer irgendwie verknüpft mit der Rolle, die ich vorlebe. Ich fürchte das Bild durch Unachtsamkeit zu beschädigen und selektiere deshalb alles sehr genau. Und denke ich mir die Bilder weg, dann bleibt nur eine gähnende Leere. Mein Neuanfang kann also nur bei dem kleinen Jungen beginnen, der bleibt sobald das gelebte Bild stirbt.
23. Juni 2011
Ich bin zunehmend unzufrieden mit der Meditationsgruppe. Also eigentlich ist das falsch ausgedrückt. Denn die Gruppe selbst hat sich gut entwickelt und ein stabiles Maß gefunden. Sie funktioniert eigenständig, braucht mich nicht wirklich. Meine Rolle ist dadurch mehr dahingewandert, dass ich einfach mit meditiere und durch Anwesenheit glänze. Der Einsatz von Avnas hat mich gewissermaßen arbeitslos gemacht. Ich empfinde es auch nicht mehr als zeitgemäß, dass wir Einzel-Übungen für alle ziehen. Das Potential der Gruppe beschränkt sich dabei auf die Intensivierung durch die Gruppendynamik. Mit etwas Disziplin könnte auch jeder für sich üben. Vielleicht gelingt es mir ja, mal mit Cheffe über das Thema zu sprechen. Eventuell hat er eine Idee, was wir ändern könnten. Gruppenübungen wäre sicher eine Möglichkeit.
Doch Stopp, Moment … was mach ich da gerade? Wer bestimmt denn, ob es etwas bringt oder nicht? Die Gruppenübungen wären eine Idee, die für mich die Meditation attraktiver macht. Doch für die Gruppe selbst? Mich stören die Einzelübungen, aber wie sieht es mit den anderen aus? Ich empfinde meine Rolle als nutzlos. Wie ordnen sie die anderen ein? Vielleicht ist es mal wieder an der Zeit, in der Gruppe nach den Meinungen zu fragen.
10. Januar 2012
Ich bin unzufrieden und mittlerweile auch im Zweifel darüber, ob es gut war, den Raum im Prenzlauer Berg aufzugeben. So ist die Gruppe in einen Stillstand geraten und ich tue mich noch schwerer, wieder einen neuen Ansatz zu finden. Schließlich ist das eigentliche Problem, dass die Gruppe neue Leute braucht und daran ändert ein neuer Raum auch nichts. Er macht es nur noch schwerer, weil wir dann u. U. noch höhere Kosten decken müssen.
Eine erste Idee war es, bei der Volkshochschule einen Kurs anzubieten. Doch dabei korreliere ich plötzlich mit jeder Menge Ängsten und der mangelnden Motivation, mich jetzt mit diesen auseinander zu setzen. Dafür fehlt mir einfach die klare Zukunftsvision, Menschen wirklich Schulen zu wollen. Vielmehr habe ich verschiedene Wege vor Augen und einer davon ist, sich eher im Stillen zu bewegen. Vielleicht ist das wieder der alte Konflikt mit meinem „gefürchteten“ Ego. Vielleicht ist es aber auch nur so eine eingebrannte Vorstellung, dass ein Weg in der Unsichtbarkeit bedeutsamer wäre. Ich denke, ich muss die Gruppe erst mal wieder irgendwo unterbringen und erst dann versuchen, sie auch zu vergrößern. Im Moment ist es ein destruktiver Zustand, der mich unzufrieden macht, denn die zielgerichtete Auseinandersetzung hat mir auch nie geschadet. Wenn wir wieder irgendwo untergekommen sind, lasse ich ein paar Flyer anfertigen und die legen wir irgendwo aus.
21. November 2014
Morgen gehen Milli und ich einen vielleicht neuen Raum für die Meditationsgruppe ansehen. Der Raum gehört zu Astrids Logopädie-Praxis und irgendwie trage ich diese Überlegung schon einige Zeit mit mir herum. Im jetzigen Raum fühle ich mich nicht wohl. Es ist auch wieder dieses Gefühl am falschen Ort zu sein. Viel wichtiger noch ist die Werbungsfrage. Außer etwas Werbung im Internet und einen unscheinbaren Aushang im Bio-Markt habe ich dahingehend noch nichts gemacht. Ich war wie blockiert und die Vorstellung einer wachsenden Gruppe hat mich eher erschreckt. Doch das ändert sich gerade.